Wenn du jemals auf ein quadratisches Raster gestoßen bist, bei dem man Zahlen in aufsteigender Reihenfolge schnell finden muss, war das wahrscheinlich eine Schulte-Tafel. Auf den ersten Blick wirkt sie äußerst einfach, doch hinter dieser Schlichtheit steckt eine Methode, die seit Jahrzehnten in Psychologie und Pädagogik erprobt ist. Die Geschichte der Tafel beginnt Mitte des 20. Jahrhunderts – mit einem wissenschaftlichen Experiment, das ihre weltweite Verbreitung einleitete.
Auf den ersten Blick ist das vielleicht kein Spiel im klassischen Sinne – keine Grafik, keine Regeln, keine Gegner. Nur ein Raster und Zahlen. Doch gerade in dieser Einfachheit liegt ihre Stärke. Die Schulte-Tafel ist längst Teil der Welt der Logikspiele und gilt zu Recht als eine der effektivsten Übungen zur Schulung der Aufmerksamkeit. Um ihren Wert zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf ihre Ursprünge.
Die Geschichte der Schulte-Tafel
Die Schulte-Tafel wurde erstmals 1962 vom deutschen Psychiater und Psychologen Walter Schulte vorgeschlagen. Er wurde 1910 in Frankfurt am Main geboren und studierte Medizin an der Universität seiner Heimatstadt. Bereits 1934 promovierte Schulte und setzte seine wissenschaftliche Arbeit unter der Leitung von Hans Berger – einem Pionier der Elektroenzephalografie – fort. Er arbeitete in Jena, Wefil und Gütersloh, wo er leitende Positionen in psychiatrischen Einrichtungen innehatte.
In den 1960er-Jahren wurde Schulte Professor und übernahm die Leitung der neurologischen Universitätsklinik in Tübingen. Von 1965 bis 1967 leitete er die deutsche Sektion der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE), und 1968 wurde er in die Leopoldina aufgenommen – die älteste wissenschaftliche Akademie Deutschlands.
Ursprünglich wurde die Tafel nicht als Spiel, sondern als psychodiagnostisches Instrument entwickelt – zur Untersuchung der Aufmerksamkeitsstabilität bei Patienten. Die Methode erwies sich als einfach, anschaulich und effektiv, um das Konzentrationsniveau auch bei Ermüdung zu messen.
Die ersten Veröffentlichungen zur Schulte-Methode erschienen in den 1960er-Jahren in der deutschen Wissenschaftsszene. Die Übung verbreitete sich schnell in Kliniken, wo sie als Bestandteil der kognitiven Diagnostik verwendet wurde. Später wurde sie auch für Pädagogen und Fachleute im Bereich der Psycholinguistik interessant. Sie stellten fest, dass regelmäßige Übungen mit der Schulte-Tafel die Fähigkeit zur schnellen Textwahrnehmung fördern – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten.
Nach und nach verließ die Schulte-Tafel den wissenschaftlichen Kontext und fand Anwendung in der Ausbildung und im Alltag. Sie wurde sowohl von Lehrkräften in Schulen als auch von Augenärzten genutzt – unter anderem zur Schulung des peripheren Sehens. Besonders verbreitet ist sie in Schnelllesekursen: Die Tafel wurde zu einem grundlegenden Werkzeug, um das Auge auf das Erfassen von Textblöcken statt einzelner Buchstaben vorzubereiten. Zudem diente sie zur schnellen Einschätzung der aktuellen Aufmerksamkeit – etwa vor Unterrichtsbeginn oder kognitiven Belastungen.
Im Laufe der Jahre hat die Schulte-Tafel nichts von ihrer Aktualität eingebüßt und zahlreiche digitale Varianten hervorgebracht. Bereits in den 1990er-Jahren erschienen die ersten Computer-Versionen – mit der Möglichkeit, die Rastergröße zu wählen und Zeitlimits festzulegen. Heute sind solche Übungen auf Smartphones und Tablets verfügbar: Neben Zahlen gibt es auch Tafeln mit Buchstaben, Symbolen und Farben sowie verschiedene Schwierigkeitsstufen.
Wissenswerte Fakten
- In einigen Schulen in Deutschland wird die Schulte-Tafel vor Klassenarbeiten oder zu Beginn des Unterrichts eingesetzt – als Methode, um die Aufmerksamkeit schnell zu aktivieren und sich zu konzentrieren. Diese kurze Aufwärmübung hilft Schülern, schneller in den Arbeitsmodus zu wechseln.
- Die Beliebtheit der Schulte-Tafel hat Enthusiasten dazu inspiriert, inoffizielle Wettkämpfe auf Zeit zu organisieren. Einige Teilnehmer absolvieren das klassische 5×5-Raster in weniger als fünf Sekunden – im Internet gibt es Videos solcher Leistungen, obwohl es keine offiziellen Rekorde gibt.
- Die Schulte-Tafel wird häufig in Schnelllesekursen eingesetzt. Nach Erfahrung von Lehrkräften können bereits 10–15 Minuten tägliches Training nach 2–3 Wochen die Lesegeschwindigkeit spürbar erhöhen – im Durchschnitt um 20–30 %. Diese Zahlen sind zwar wissenschaftlich nicht belegt, die Wirksamkeit der Methode wurde jedoch vielfach in der Praxis bestätigt.
- Auch militärische Einrichtungen haben Interesse an der Schulte-Tafel gezeigt. In mehreren Ländern ist sie Teil der Tests zur Auswahl von Piloten und Fluglotsen – Berufen, in denen die schnelle Umschaltung der Aufmerksamkeit und die Verarbeitung visueller Informationen besonders wichtig sind.
- Es gibt verschiedene Varianten der Schulte-Tafel, die jeweils auf die Entwicklung bestimmter kognitiver Fähigkeiten abzielen. So enthält die Gorbov–Schulte-Variante abwechselnd rote und schwarze Zahlen – was ein ständiges Umschalten der Aufmerksamkeit zwischen Farben erfordert. In einer anderen Version werden die Zahlen durch Buchstaben ersetzt – ein Format, das besonders hilfreich für das Training von Gedächtnis und visuellem Wahrnehmungsvermögen ist. Eine weitere Variante nutzt farbige Zellen, die die Konzentration zusätzlich fordern und die Aufgabe deutlich dynamischer machen.
Im Laufe der Zeit wurde die Schulte-Tafel zu einem Klassiker unter den Aufmerksamkeitsübungen. Ihr Format bedarf keiner Erklärung – ein Blick genügt, um das Prinzip zu erfassen. Es ist ein seltener Fall, in dem Form und Funktion so präzise zusammenpassen. Das Geheimnis ihrer Beliebtheit liegt nicht nur in der Einfachheit, sondern auch im praktischen Nutzen. Sie hilft, sich vor einer Aufgabe zu fokussieren, mentale Anspannung abzubauen oder schnell zwischen Tätigkeiten zu wechseln. Wenige Minuten täglich – und die Aufmerksamkeit wird spürbar präziser. Probiere es selbst aus – kostenlos und ohne Anmeldung!