Mancala ist eines der ältesten Brettspiele der Menschheitsgeschichte. Seit Jahrhunderten wird es in Afrika, Mittelamerika sowie in Ländern Süd- und Südostasiens gespielt. In diesen Regionen ist es ebenso beliebt wie Schach im Westen und dabei so vielfältig wie Kartenspiele. Seine Wurzeln reichen zurück in jahrtausendealte Agrarkulturen und zyklische Kalendertraditionen.
Es handelt sich nicht um ein einzelnes Spiel, sondern um eine ganze Familie von Spielen, die durch die charakteristische Spielform verbunden sind, sich aber in Regeln, Anzahl der Mulden und Taktiken unterscheiden. Omweso, Bao, Wari, „Samen-Spiel“ – all das sind populäre Varianten von Mancala. Die heute bekannteste Variante ist Kalah, eine amerikanisierte Version, die in den 1950er Jahren von William Julius Champion Jr. entwickelt wurde.
Geschichte des Spiels
Das Mancala-Spielfeld – Reihen leerer Mulden, in die Samen oder kleine Steine gelegt werden – erinnert unweigerlich an Landwirtschaft. Kein Wunder, dass solche Spiele vor allem in alten Agrarkulturen mit entwickeltem Ackerbau weit verbreitet waren.
Archäologen sind sich bislang nicht einig über die genaue Herkunft von Mancala. Spielbretter und Abbildungen wurden im Alten Ägypten, in Syrien, im Sudan und in Ländern Südostasiens gefunden. Die meisten archäologischen Funde stammen jedoch aus Nordafrika, aus dem Niltal. Dort entdeckte man von Hand geschnitzte Spielfelder an Tempelsäulen, Sarkophagen, Steinfragmenten und sogar Elfenbeinschnitzereien. Die ältesten von ihnen stammen aus dem 9.–10. Jahrhundert v. Chr. – Mancala gehört damit zu den ältesten bekannten Spielen der Menschheit.
Einige Forscher bringen Mancala sogar mit religiösen Riten und Opferritualen in Verbindung, bei denen das Zählen von Samen eine zeremonielle Bedeutung hatte.
Da „Mancala“ ein arabisches Wort ist, vertreten einige die Theorie, dass die Spielreihe im Nahen Osten entstand und sich von dort nach Afrika und Ostasien verbreitete. Hauptargument für diese Hypothese ist die Erwähnung von Mancala in alten religiösen Texten in arabischer Sprache.
In Asien trug das Spiel andere Namen: Congkak, Dakon, Makaotan, Aggalakang, Lamban. In Afrika wurde es unter anderem Bawo, Omweso, Endodoi, Adi, Hus, Kale, Ndoto, Soro und vielen weiteren Namen genannt. Die komplexeste Spielvariante – Bao – ist vor allem in Tansania und Kenia, im Osten Afrikas, verbreitet.
Zur Zeit der Kolonialisierung Amerikas (16.–17. Jahrhundert) gelangte Mancala mit afrikanischen Sklaven auf den neuen Kontinent. Dort verbreitete es sich im Süden Nordamerikas und im Norden Südamerikas und wurde unter den Namen Wari oder Amerikanisches Mancala bekannt. In den USA entstanden sogar kommerzielle Brettspiel-Versionen mit Plastikschalen und bunten Glassteinen – für den Heimgebrauch und für den Unterricht.
In Europa wurde das Spiel im 17. Jahrhundert bekannt, vor allem unter englischen Händlern, wurde jedoch im Laufe der Zeit von anderen Spielen verdrängt. Heute erinnert man sich nur in einigen Regionen daran, etwa im Baltikum, wo es unter dem deutschen Namen Bohnenspiel – „Bohnenspiel“ – bekannt ist.
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts erlebt Mancala eine Renaissance: Es wird im Bildungsbereich, in frühkindlichen Förderprogrammen, in digitalen Versionen und mobilen Apps eingesetzt. Auch Kulturzentren fördern es aktiv als Teil des immateriellen Kulturerbes. Im Jahr 2020 erkannte die UNESCO das Spiel Bao als wichtigen Bestandteil der kulturellen Identität Ostafrikas an.
Wissenswertes
- Es gibt über 200 dokumentierte Mancala-Varianten weltweit. Sie unterscheiden sich in der Anzahl der Mulden, Spielsteine, Eroberungsregeln, Punktesysteme und Spielrichtung.
- In vielen Kulturen wurden keine separaten Spielbretter verwendet: Die Felder wurden direkt in die Erde, den Sand, in Tempelwände, Steine oder sogar Baumstämme geritzt. Solche „Feldversionen“ waren besonders für Nomaden und Krieger praktisch.
- Viele Mancala-Varianten eignen sich hervorragend, um Kindern Zählen und logisches Denken beizubringen. In einigen Regionen wird das Spiel offiziell in Kindergärten als pädagogisches Instrument genutzt.
- In vielen afrikanischen und asiatischen Kulturen wurde das Spiel mit Fruchtbarkeitsgöttern, dem Kreislauf von Leben und Tod und Sonnenzyklen assoziiert. In Tansania und Madagaskar glaubte man, Mancala „lehre Geduld und Demut“.
- In Gräbern von Pharaonen der 12. Dynastie Ägyptens (ca. 1800 v. Chr.) fand man Objekte mit eingravierten Mulden, die heutigen Mancala-Brettern ähneln. Das macht es zu einem der ältesten Spiele mit physischem Nachweis.
- In Ländern wie Ghana, Tansania und Nigeria finden regionale Turniere statt – auch für Schulkinder. Die Gewinner erhalten oft keine Geldpreise, sondern Samen, Reissäcke oder Land – ein Zeichen für die tiefe Verbindung zur Landwirtschaft.
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