Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in den USA kein Kartenspiel, das populärer war als Euchre. Zeitgenossen nannten es «die Königin aller Kartenspiele», und in jeder Ecke des Landes — von den Bauernhöfen Pennsylvanias bis zu den Dampfschiffen auf dem Mississippi — wurden überall Partien Euchre gespielt.
Geschichte des Kartenspiels Euchre
Wie Euchre zu einem amerikanischen Phänomen wurde
Das Kartenspiel Euchre entstand lange bevor es Amerika eroberte. Die meisten Historiker sind sich einig, dass das Spiel vom elsässischen Juckerspiel abstammt — so nannte man eine Variante des Kartenspiels, die im 18.–19. Jahrhundert beliebt war. Schon der Name des Spiels weist auf seine zentrale Karte hin — den Buben, der die höchste Position unter den Trümpfen einnimmt. In der Tat ist das wichtigste Merkmal von Euchre das Vorhandensein zweier hoher Trümpfe, beide Buben (auch «Bowers» genannt, vom deutschen Bauer — Bauer). Der Bube der Trumpffarbe, der als rechter Bower bezeichnet wird, ist die höchste Karte. Darauf folgt der linke Bower — der Bube der anderen Farbe derselben Farbe. Dieses Detail stammt eindeutig aus deutschen Spielen: Im deutschen Kartenlexikon bezeichnete das Wort Bauer schon lange den Buben und nicht nur den Bauern. Bemerkenswert ist, dass im Euchre der schlichte Bube Könige und Asse sticht — im 19. Jahrhundert scherzhaft als «Entmachtung des Adels von den höchsten Positionen» kommentiert.
Die erste schriftliche Erwähnung des Spiels stammt vermutlich aus dem frühen 19. Jahrhundert. Nach Angaben des Oxford English Dictionary wurde Eucre bereits 1810 flüchtig unter den damals beliebten Kartenspielen erwähnt. Und 1829 lernte der englische Schauspieler und Schriftsteller Joseph Cowell während einer Reise auf dem Mississippi ein geheimnisvolles Spiel namens Uker kennen, an Bord eines Dampfschiffes von Louisville nach New Orleans. Seine Eindrücke veröffentlichte er viele Jahre später, 1844, und dieser Bericht gilt als eine der ersten Beschreibungen des Spiels auf amerikanischem Boden.
Nach den 1820er Jahren fasste Euchre in der Neuen Welt schnell Fuß. Eingeführt wurde es von Einwanderern aus Europa, vor allem von deutschsprachigen — sowohl aus dem Elsass (damals Teil Frankreichs, aber mit erhaltener deutscher Kultur) als auch aus anderen Regionen Deutschlands. Es gibt Theorien, dass das Spiel auch über den englischen Kanal gekommen sein könnte — beispielsweise ist es im Südwesten Englands, in Cornwall und Devon, beliebt, wo ähnliche Spiele sich von französischen Kriegsgefangenen der napoleonischen Zeit verbreiteten. Doch erst in den USA wurde Euchre wirklich berühmt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreitete es sich von den Oststaaten bis in den Mittleren Westen. Bereits in den 1850er Jahren war Euchre faktisch zum nationalen Kartenspiel Amerikas geworden. Seine Popularität wuchs in diesen Jahrzehnten rapide — kein Wunder, dass man 1877 schrieb: «Kein anderes Gesellschaftsspiel wurde in den gesamten Vereinigten Staaten so geliebt wie Euchre».
Besonders fest etablierte sich das Spiel im Mittleren Westen, in Staaten wie Ohio, Indiana, Michigan und Illinois. Später wurde dieses Gebiet im Zentrum der USA sogar «Euchre Belt» genannt — so stark war dort die Tradition, in jeder Familie Euchre zu spielen. Begeistert war man überall: von städtischen Salons bis zu Bauernmärkten. Zu Beginn des Bürgerkriegs (1861–1865) war Euchre bereits in aller Munde — auch in den Soldatenlagern. Während langer Aufenthalte verbrachten Soldaten des Nordens wie des Südens die Zeit mit Karten — und am häufigsten war es Euchre. Während des Bürgerkriegs wurde das Spiel fester Bestandteil des Armeelebens. Nach Erinnerungen von Veteranen «wurde manchmal sogar das Mittagessen für eine Partie verschoben». Für die Soldaten war es ein ebenso selbstverständlicher Begleiter wie der Kochkessel am Feuer oder der Mantel auf den Schultern.
Die ersten Regeln und die Einführung des Jokers
Euchre erschien erstmals in den 1840er Jahren im Druck. 1844 wurde in Philadelphia das Handbuch The Whist Player’s Hand-Book von Thomas Matthews veröffentlicht, das erstmals ein Kapitel mit den Regeln des neuen Spiels enthielt — damals wurde es sowohl Uker als auch Euchre genannt. Schon 1845 wurde Euchre in ein amerikanisches Spielehandbuch aufgenommen, das im Volksmund «amerikanischer Hoyle» genannt wurde — in Anlehnung an das britische Original Hoyle’s Games, eine Autorität des 18. Jahrhunderts. Allmählich wurden die Regeln standardisiert, und bereits 1850 erschien das erste eigenständige Buch, das vollständig dem Euchre gewidmet war. In frühen Anleitungen verwendete man ein verkleinertes Kartenspiel — meist 32 Karten, von der Sieben bis zum Ass. Doch nach und nach setzte sich eine noch stärker reduzierte Version durch — 24 Karten: von der Neun bis zum Ass jeder Farbe.
Interessanterweise gab es den Joker anfangs nicht im Kartenspiel. Das Wort «Joker» existierte noch nicht — alle benötigten Karten waren in der Standardkarte enthalten, wo der Trumpfbube (rechter Bower) die höchste Karte war. Doch die amerikanischen Spieler, bekannt für ihre Vorliebe für Neuerungen, beschlossen Mitte des Jahrhunderts, ihrem geliebten Euchre einen besonderen «Supertrumpf» hinzuzufügen. Zunächst nutzte man einen kleinen Trick: In das Kartenspiel wurde eine Ersatzkarte ohne Farbe gelegt — die sogenannte Blankokarte, die Hersteller manchmal als Werbung oder Probedruck beilegten. Die Spieler gaben ihr eine neue Funktion und begannen, sie als speziellen hohen Trumpf zu verwenden — den «besten Bower». Ein solcher zusätzlicher Trumpf wird erstmals in den Regeln von 1868 erwähnt, obwohl Historiker berichten, dass man diese «Platzhalterkarte» bereits in den 1850er Jahren im Euchre verwendete. Mit der Zeit entwickelte sich daraus eine eigenständige Karte — der Joker.
Der entscheidende Schritt war das Erscheinen speziell gedruckter Karten, die für die Rolle des höchsten Trumpfes bestimmt waren. 1863 brachte der Kartenverleger Samuel Hart die erste illustrierte Jokerkarte unter dem Namen «Imperial Bower» heraus. Darauf war ein Löwe in einer Höhle abgebildet, mit der Aufschrift: «This card takes either Bower» — also «Diese Karte sticht jeden Bower». Von diesem Moment an gehörte die Zusatzkarte fest zum Euchre-Kartenspiel und verschwand nicht mehr.
Andere Hersteller griffen die Idee auf, und gegen Ende des 19. Jahrhunderts enthielt jedes Kartenspiel in den USA den Joker. Bemerkenswert ist, dass Hart und andere auf den frühen «besten Bowers» keinen Narren abbildeten — es gab die verschiedensten Darstellungen, vom Löwen bis zum Tiger. Erst in den 1880er–1890er Jahren erhielt der Joker das vertraute Bild des Hofnarren. Was den Namen betrifft, so entstand das Wort «Joker» aus «Euchre»: Einer Version zufolge fiel es englischsprachigen Spielern schwer, Jucker auszusprechen, und sie veränderten den Klang. Wie dem auch sei, in den 1880er Jahren war der zusätzliche Joker bereits in allen neuen Kartenspielen enthalten, die von den größten Kartenfabriken herausgegeben wurden. So nahm etwa die berühmte United States Playing Card Co., gegründet 1867, in den 1880er Jahren bereits zwei Joker in ihre Standard-Bicycle-Kartenspiele auf. Der Joker verdankt sein Dasein genau dem Euchre — nicht zufällig wird seine Rolle im Spiel ausdrücklich als «bester Trumpf» bezeichnet, höher als alle anderen Karten.
Auf Dampfschiffen und in Salons: das goldene Zeitalter von Euchre
Wenn die Heimat des Euchre die friedlichen Bauerngemeinden waren, erlangte es seinen wahren Ruhm in weitaus lebhafterer Umgebung. In den 1830er–1860er Jahren gab es in ganz Amerika kein einziges Flussschiff, auf dem abends nicht eine Partie Euchre gespielt wurde. Auf den berühmten Mississippidampfern, die von St. Louis nach New Orleans fuhren, spielte man leidenschaftlich und oft um Geld — man denke nur an Mark Twains Hinweise auf Kartenspieler auf den Booten. Twain selbst reiste in den 1860er Jahren als junger Reporter in den Wilden Westen und beschrieb, wie sie abends im Wald am Ufer des Lake Tahoe eine Hütte bauten und «endlose Partien Euchre spielten, bis die Karten so schmutzig waren, dass man sie nicht mehr erkennen konnte». In einer anderen Szene seiner Reise beobachtet Twain drei unzertrennliche Gefährten an Bord eines Ozeandampfers — sie spielten Euchre Tag und Nacht, tranken ganze Flaschen unverdünnten Whisky und sahen aus wie «die glücklichsten Menschen, die ich je gesehen habe».
Euchre wurde ein fester Bestandteil des Lebens an der amerikanischen Grenze. In den Goldfeldern Kaliforniens verbrachten die Goldgräber die Abende mit Kartenspielen, in den Cowboysaloons an der Zivilisationsgrenze war das Klatschen der Karten ebenso häufig wie das Knallen der Schüsse. In einem Saloon konnte eine Pokerrunde laufen, aber viel häufiger war es ein freundschaftliches Euchre, denn dafür brauchte man nur vier Spieler und ein halbes Kartenspiel, und die Dauer war wesentlich kürzer und vergnüglicher als beim langwierigen Poker. In jeder Taverne, jedem Gasthof und jeder Garnisonsstadt des 19. Jahrhunderts traf man auf Euchre-Spieler — so allgegenwärtig war es geworden. Das Spiel faszinierte durch seine Einfachheit, Schnelligkeit und seinen Teamgeist: Zwei gegen zwei versuchten, mindestens drei von fünf Stichen zu machen, während ein besonders wagemutiger Spieler das Risiko eingehen konnte, «allein zu gehen» ohne Partner gegen alle. Spannung, gemeinsames Kalkül und hohes Tempo — all das machte Euchre zu einer beliebten Unterhaltung für Menschen aus allen Gesellschaftsschichten.
Interessanterweise fand Euchre gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch Eingang in die vornehmsten Salons. Ein Spiel, das zuvor mit der Grenze assoziiert wurde, wurde nun zu einer mondänen Mode. In den 1890er Jahren erlebten die USA eine Welle des «progressiven Euchre» — so nannte man ein besonderes Turnierformat, bei dem die Spielerpaare ständig wechselten und die Ergebnisse in eine Gesamtwertung eingingen. Solche Kartenabende wurden oft von Wohltätigkeitsgesellschaften und Kirchen organisiert: Es wurde eine Teilnahmegebühr erhoben, den Siegern wurden Preise überreicht, und die Erlöse flossen in gute Zwecke. 1898 berichteten Zeitungen von einem großen Euchre-Turnier in New York: Dreitausend Eintrittskarten wurden für wohltätige Zwecke verkauft, und die Sieger erhielten wertvollen Schmuck als Preis. Selbst Schriftsteller hinterließen ihre Spuren und verewigten Euchre in der Literatur: Die Figuren in Mark Twains Romanen setzten sich regelmäßig zu diesem Spiel, und Herbert Wells schilderte in seinem Science-Fiction-Roman «Krieg der Welten» (The War of the Worlds, 1898) eine Gruppe von Überlebenden, die mitten im Chaos der marsianischen Invasion Trost in Euchre-Partien fanden und mit Leidenschaft den Joker ausspielten — am Rande des Untergangs der Menschheit.
Anfang des 20. Jahrhunderts begann der Stern von Euchre langsam zu verblassen. Anspruchsvollere intellektuelle Spiele kamen in Mode — an die Stelle des bodenständigen Euchre trat Bridge, mit seinen komplizierten Kontrakten und endlosen Kombinationen. Doch Euchre verschwand nicht: Es kehrte in seine Heimat zurück und blieb das Lieblingsspiel von Millionen einfachen Amerikanern. In den Schlagzeilen der Zeitungen tauchte es nicht mehr auf, aber im Mittleren Westen spielte man es weiterhin — am Küchentisch der Großmutter, in der Fabrikpause, beim Picknick oder in der örtlichen Kirche. Vom Lärm der Saloons bis zu den Kirchmärkten — Euchre hinterließ eine reiche historische Spur und gilt mit Recht als eines der beliebtesten Kartenspiele in der Geschichte der USA.
Interessante Fakten über Euchre
- Deutscher Einfluss in der Terminologie. Viele Begriffe des Euchre stammen aus dem Deutschen. Zum Beispiel nennt man einen Sieg, bei dem eine Mannschaft alle Stiche macht, «Marsch» — vom deutschen Durchmarsch (vollständiger Durchmarsch, Durchbruch). Der Spieler, der den Trumpf bestimmt, wird oft «Maker» genannt — vom Spielmacher, also «Spielleiter». Und wenn man «geeuchret» wird — das heißt, wenn man in den Berechnungen überlistet und am Erreichen der Mindestanzahl von Stichen gehindert wird —, geht dieser Ausdruck auf das deutsche gejuckert zurück, wörtlich: «im Euchre besiegt». Daher stammt auch das englische Verb to euchre someone, das bis heute bedeutet, jemanden durch List leer ausgehen zu lassen, zu überlisten, zuvorzukommen.
- Euchre wurde in einigen religiösen Gemeinschaften verboten. Im 19. Jahrhundert war Euchre so populär, dass einige christliche Gemeinden in den USA es für notwendig hielten, es einzuschränken. Kartenspiele, insbesondere solche, die mit Glücksspiel und der Unterhaltung von Gentlemen assoziiert wurden, galten als potenzielle Bedrohung für die Moral. Obwohl Euchre im üblichen Sinne kein Glücksspiel ist, führten sein lebendiger Geist und seine Beliebtheit in Saloons dazu, dass es in puritanischen Kreisen auf die «unerwünschte Liste» gesetzt wurde.
- Euchre war besonders bei Frauen beliebt. Trotz der Assoziation mit Männersaloons wurde Euchre zu einem der ersten Kartenspiele, die von Frauen weit verbreitet und offiziell gespielt wurden. Ende des 19. Jahrhunderts organisierten Damen die sogenannten euchre luncheons — morgendliche und mittägliche Treffen mit Bewirtung und Kartenspiel. Solche Veranstaltungen wurden in den Zeitungen erwähnt, und die Gewinnerinnen erhielten kleine Preise — von silbernen Fingerhüten bis zu dekorativen Broschen.
- Das Wort Bower ist ein einzigartiges sprachliches Phänomen. Der Begriff Bower, der im Euchre für die höchsten Buben verwendet wird, kommt in keinem anderen verbreiteten Kartenspiel vor. Es handelt sich um eine anglifizierte Form des deutschen Bauer — «Bauer, Bube». Interessant ist, dass der Bube in deutschen Spielen Bauer genannt wurde, aber nur im Euchre erhielt er den Status eines besonderen Trumpfs und behielt den Begriff in englischer Form. Dieser Begriff blieb selbst in der nordamerikanischen Kultur unverändert, wo andere Entlehnungen mit der Zeit verschwanden oder angepasst wurden.
- Euchre war das erste Spiel, für das in den USA Turniertabellen veröffentlicht wurden. In den 1890er Jahren begannen Zeitungen in Städten des Mittleren Westens regelmäßig die Ergebnisse progressiver Euchre-Turniere zu veröffentlichen, in denen die Namen der Sieger, die Partienstände und sogar die besten Züge angegeben wurden. Dies ging der Entstehung von Schach- und Bridgespalten voraus. So wurde Euchre zum ersten Kartenspiel, das außerhalb des Glücksspielkontextes kontinuierliche Medienunterstützung erhielt.
Euchre ist nicht nur ein Kartenspiel, sondern Teil einer lebendigen Geschichte. Man spielte es auf den Decks der Dampfschiffe, in Feldlagern, auf den Veranden viktorianischer Häuser und in Pausen auf Bauernhöfen und in Fabriken. An seinem Tisch gab es keinen Platz für Langeweile oder Trägheit — nur für Partnerschaft, Berechnung und Glück. In ihm spürt man den Atem einer Epoche, in der das Spiel eine Frage der Ehre und des Vergnügens war und die Karten ein Anlass, zusammenzukommen.
Lernen Sie die Regeln, spüren Sie den Rhythmus und machen Sie den ersten Zug. Euchre ist am Anfang einfach, aber hinter jeder Partie verbirgt sich eine ganze Geschichte — mit Entscheidungen, Vertrauen und feiner Berechnung. Wir sind sicher: Tauchen Sie in das Spiel ein, und Sie werden verstehen, warum es eine lebendige Klassik geblieben ist, die nicht vergessen wird.